Wieso G20 nichts mit unserer Vorstellung von Internationalismus zu tun hat!

Zu jedem Bild eines G20-Gipfels gehören die Proteste dagegen. Aber warum haben so viele überhaupt ein Problem mit dem Treffen der 20 Länder? Wer hat denn schon etwas gegen Diplomatie?

Welche Gründe es gibt, bei den Schaulaufen der 20 Staatsspitzen nicht Hurra zu schreien, weiß Christina Schmid und schreibt dazu in ihrem Blogbeitrag anlässlich des G20-Gipfels in Rom.

Die G20 als internationaler Zusammenschluss etlicher Länder können wir als internationalistische Jugendorganisation nur gutheißen? Absolut falsch! Denn wie bei allem ist die Sache etwas komplizierter. Und irgendeine internationale Politik ist nicht gleich solidarischer Internationalismus im Sinne eines demokratischen Sozialismus, schließlich haben beispielsweise auch die Rechtspopulist*innen eine Fraktion im Europaparlament.

 

Aber nun zurück zum Eigentlichen. Die Kritik an der G20, also die Gruppe der 19 „wichtigsten“ Industrie- und Schwellenländer, sowie der EU, ist vielfältig. Zum einen ist zu bemerken, dass die Definition, welche Staaten am wichtigsten sind und welche kein Teil der G20 sein dürfen, subjektiv. Wenn nach der wirtschaftlichen Stärke der Länder gemessen werden würde, müsste sowohl Australien als auch die Niederlande dort vertreten sein, Argentinien und Südafrika jedoch rausfliegen. Aber nicht nur das. Die Bevölkerung in den einzelnen Ländern hat außerdem kaum Einfluss auf die G20. Der Ausschluss der breiten Öffentlichkeit bei Veranstaltungen und heftigste Sicherheitsmaßnahmen bei den Treffen der Politiker*innen sorgen dafür, dass es sich eher um ein elitäres Networking-Treffen handelt als um ein politisches Gremium zur Entscheidungsfindung.

 

Problematisch sind auch die einzelnen Mitglieder. Denn während man in Ländern wie Kanada, Großbritannien oder Frankreich noch davon sprechen kann, dass die jeweiligen Staatsoberhäupter demokratisch gewählt sind, sieht das bei autoritären Staaten wie der Türkei, Russland, China oder Saudi-Arabien ganz anders aus. In einem Ranking der Julius-Maximilian-Universität Würzburg zur Demokratiequalität wurden alle vier Mitglieder entweder als moderate oder harte Autokratien bezeichnet.

 

Während wir in Deutschland also in der privilegierten Position sind, politische Entscheidungen offen kritisieren und uns aktiv in der Gestaltung der Gesellschaft einbringen zu können, ist nicht einmal diese Einflussnahme der Bevölkerung in allen Mitgliedsstaaten der G20 gestattet. Ob eine Zusammenarbeit im Umfang der G20, die sich ja größtenteils auf wirtschaftspolitische Fragen beschränkt, moralisch vertretbar im Sinne einer solidarischen Gesellschaft ist, bleibt mindestens fraglich. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass mit der G20 keine humanitären Fortschritte erzielt werden können oder gewollt werden. Beispielsweise werden die Forderungen der L20, die Gewerkschaftsverbände der G20-Staaten, größtenteils ignoriert, genauso wie die Forderung nach der Patentfreigabe für COVID-Impfstoffe.

 

Hier zeigt sich eine deutliche Schwachstelle des Systems G20: Durch den Ursprung der Gruppe der Zwanzig aus der Asien-Krise 1997 sowie der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 zur Erhöhung der Finanzstabilität, ist der Hauptfokus nach wie vor wirtschaftlich, obwohl sich mittlerweile auch Minister*innen aus anderen Fachbereichen jährlich treffen und Working Paper verabschieden. Am Beispiel Klimapolitik zeigt sich jedoch deutlich, dass sie zwar den Kampf gegen die Klimakrise annehmen, aber kaum verbindliche Ziele formulieren. Auf den Kohleausstieg konnte sich nicht geeinigt werden, beim Thema CO2-Neutralität haben Russland und China das Jahr 2060 als Ziel angegeben, gegen die weitläufige wissenschaftliche Meinung, dass dies bis 2050 geschehen muss, um noch eine Chance zu haben, das 1,5°C Ziel zu erreichen. Da die G20 für 80 % der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, wäre eine Verpflichtung zur frühzeitigen Klimaneutralität jedoch ein wichtiger Faktor, um die Folgen der Klimakrise noch kontrollierbar zu machen.

 

Unsere Mindestansprüche müssen deshalb klar definiert sein. Ein erster Punkt wäre eine Regelung zu mehr Partizipation der Zivilbevölkerung in allen 19 G20-Ländern und der EU, um die Bevölkerung besser vertreten zu sehen und damit bei der Zusammenarbeit nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der Länder beachtet werden, sondern eben auch die humanitäre Perspektive mit einbezogen wird. Hierbei wird aber ein weiteres Problem deutlich: eine solche Zusammenarbeit im elitären Kreis ders G20 wird nie eine Kooperation auf Augenhöhe mit Ländern des Globalen Südens sein. Denn auch wenn die G20 Hilfen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar für diese Länder beschlossen hat, wurde dieses Ziel zum einen um mehrere Jahre nach hinten verschoben und ersetzt zum anderen niemals eine wirkliche Zusammenarbeit. Im Gegenteil kann eine reine Finanzierung in Verbindung mit der Aufrechterhaltung des neokolonialen Systems dazu beitragen, dass die Gelder (zurecht) in die Erfüllung kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen fließen, um vom kapitalistischen System profitieren zu können, anstatt in nachhaltige Entwicklung investiert zu werden. In der momentanen Situation ist es dabei absolut verständlich als armes Land das primäre Ziel zu haben, schnell eine Verbesserung der Verhältnisse zu schaffen, ohne Rücksicht auf die Umwelt- oder Klimaschäden, die daraus entstehen. Deshalb ist es wichtig die Unterstützung so zu gestalten, dass eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht wird. Wie dies im Fall jedes einzelnen Landes gestaltet wird, weiß ebendieses am besten. Dass reiche Länder hierbei unterstützen sollten, ist außer Frage, aber eben zu gemeinsam beschlossenen Konditionen, nicht von der G20 auferlegten.

 

Somit lässt sich erkennen, dass die Kritik am System G20 weitreichend ist und ultimativ eine Reform nicht ausreicht, denn eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist in diesem Zusammenschluss nicht möglich. Um kurzfristige Verbesserungen herbeizuführen, müssen Rahmen geschaffen werden, in denen zivile Mitbestimmung möglich ist und Beschlüsse nach Mehrheitsprinzip gefasst werden, damit die Blockade einzelner Staaten nicht zur Untätigkeit der G20-Mitglieder führt.


Christina Schmid,

Korrespondentin der Jusos Nordoberpfalz für unnötige internationale Treffen