Vor etwa einem Jahr machte der Rechtsterrorist Franco A. Schlagzeilen und warf Fragen über rechte Netzwerke in der Bundeswehr auf. Die Geschichte dahinter ist skurril wie erschreckend zugleich.
Unsere Recherchen zeigen: Seine Verbindungen führen auch in die Oberpfalz.
Als am 26. April 2017 der Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. während eines Lehrgangs im unterfränkischen Hammelburg verhaftet wurde und in Folge dessen erste Ermittlungsdetails bekannt wurden, war die Aufregung zurecht groß. Hat ein Bundeswehrsoldat doch nach derzeitigem Ermittlungsstand eine schwere, staatsgefährdende Straftat – also einen Terroranschlag geplant.
Offenbar geht aus Chatprotokollen und abgehörten Gesprächen hervor, dass A. Anschläge auf Personen des öffentlichen Lebens plante, etwa Politiker*innen und linke Akivist*innen. Eine Liste mit Zielen wurde gefunden, ebenso ist mittlerweile bekannt, dass A. eine große Anzahl Munition und Sprengstoffe aus Bundeswehrbeständen beschaffte. Gleichzeitig ließ er sich als Geflüchteter aus Syrien registrieren und wollte diese falsche Identität vermutlich für die Straftaten nutzen. Zum Verhängnis wurde ihm eine Pistole, die er auf dem Wiener Flughafen versteckte, was aufflog und zu den jetzigen Ermittlungen führte.[1]
Hintergrund
Bereits in seiner Masterarbeit vertrat der Soldat rechtsextremistische Thesen. Laut Gutachter handelt es sich um einen „radikalnationalistischen Appell“, der „alle Merkmale einer Verschwörungstheorie aufweise“.[2] Es folgte von Bundeswehrseite nur eine mündliche Ermahnung und keine Beobachtung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Auf seiner Stube wurden nach seiner Festnahme Wehrmachtsdevotionalien gefunden, auf einem Gewehrgehäuse prangte ein Hakenkreuz. Als weitere Fälle bekannt wurden, etwa eine Sammlung von Wehrmachtsmemorabilia in einem Besprechungsraum in einer Kaserne in Donaueschingen, verschärfte sich der Blick auf rassistische Strukturen in der Bundeswehr, weitere Fälle wurden aufgedeckt und Ermittlungen aufgenommen.[3]
Netzwerk
Die derzeitigen Ermittlungen richten sich nicht nur gegen A., es wird davon ausgegangen, dass er ein Netzwerk von Gleichgesinnten hatte. So war A. Mitglied in Whatsapp-Gruppen, in denen überwiegend rassistische Inhalte geteilt, aber auch Anleitungen zum Bombenbau verbreitet wurden. Auch richten sich die Ermittlungen teilweise gegen sein Umfeld, einen zivilen Studenten und den Soldaten Matthias F., der AfD Mitglied ist und nun, nach dem er nicht mehr unter konkreten Tatverdacht steht, von der Bundeswehr eine Genehmigung erhielt, bei AfD zu arbeiten.[4]
Andere Ermittlungen richten sich gegen die sogenannte „Prepper“ Gruppe Nordkreuz in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Gruppe bereitete sich offenbar auf einen erwarteten Zusammenbruch der staatl. Ordnung vor, hortete dafür Material und suchte den Zugang zu legalen Waffen. Auch diese Gruppe, die sich unter anderem aus einem Reservistenverband rekrutierte, hatte eine rechte Ausrichtung, koordinierte sich über Chat-Gruppen und hatte, wie Franco A., eine Liste mit potentiellen Anschlagszielen, die im Falle eines Bürgerkriegs wohl exekutiert werden sollten.[5]
Verbindung in die Oberpfalz
Auch in die nördliche Oberpfalz gibt es eine ernstzunehmende Spur. Laut Recherchen von Spiegel Online verbrachte Franco A. regelmäßig Zeit in dem kleinen Ort Vohenstrauß in Landkreis Neustadt und verbrachte regelmäßig seine Zeit im dortigen Schützenverein bzw. auf deren Schießbahn, auch mit einem Sturmgewehr G3, welches ohne zivile Modifikation unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt und deswegen verboten ist. Selbst bei einem Waffenhändler in der Region soll er gewesen sein.[6]
Am 15.10.2016 nahm er sogar an einem sogenannten „Range Day“ der „German Rifle Association“ in Vohenstrauß Teil. Diese Organisation veranstaltet derartige Treffen des Öfteren, eine vorherige Anmeldung ist zur Teilnahme notwendig. Man muss allerdings hinzufügen, dass A. zu diesem Zeitpunkt nicht unter Beobachtung der Behörden stand. Auf dieser Veranstaltung gab es offenes Schießen, eine Krav Maga Vorführung und Waffenhersteller präsentierten Waffen und Zubehör. Laut den Teilnehmenden auf der Facebook Veranstaltung waren die Teilnehmer des „Range Day“ sehr gemischt - von normalen Sportschützen, Jägern und Interessierten über Waffennarren und einem Aktivisten der AfD-Weiden hin zu Personen mit eindeutig in Facebook erkennbarer rechtsextremer Gesinnung und einem Anhänger der separatistischen „Volksrepublik Donetzk“ in der Ostukraine. Ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Baden-Württemberg war eingeladen. Anzumerken ist, dass eine Teilnahme an der Veranstaltung auf Facebook nicht bedeutet, dass die Personen auch vor Ort waren.
Die Frage ist vor allem, warum A. ausgerechnet in Vohenstrauß in der Oberpfalz regelmäßig bei einem normalen Schützenverein ein- und ausging und dort mit Waffen hantierte. Weder stammt er aus der Oberpfalz oder wohnte dort, noch war er an einem Bundeswehrstützpunkt in der Oberpfalz zuletzt länger stationiert.
Es bleiben meiner Ansicht nach drei mögliche Erklärungen. Erstens, Franco. A. suchte sich zum Schießtraining einen zufälligen Schützenverein aus. Diese Möglichkeit erscheint mir unwahrscheinlich, denn: Warum dann ein Schützenverein in einer Region zu der es keinen anderen Bezug gibt? Zweitens, A. wählte Vohenstrauß aufgrund der Nähe zur tschechischen Grenze, etwa wegen einem einfacheren Zugang zu Munition und Waffen jenseits der Grenze. Oder drittens, A. hatte Freunde und/oder Vertraute in der Oberpfalz und hielt sich deswegen regelmäßig in der Region auf.
Es könnte also durchaus sein, dass die Oberpfälzer Spur zu einem Schlüssel in dem Komplex um Franco A. werden könnte und ein weiteres Netzwerk, mit dem er in Kontakt stand, auch in der Oberpfalz noch aufgedeckt wird.
Weiterer Rechtsextremist bei der Bundeswehr in der Oberpfalz
Gibt es noch weitere Fälle von rechtsextremen Soldat*innen in der Oberpfalz? Zumindest ein Fall wurde nach der Festnahme von A. bekannt. Es handelt sich um Felix S., Offizier im Panzergrenadier Bataillon in Oberviechtach. Er bewegt sich seit Jahren in neurechten Kreisen, mittlerweile ermittelt der MAD gegen ihn, ob es bereits Konsequenzen gab ist unklar. Felix S. begann seine rechte Karriere während des Studiums an der Bundeswehr Universität in München. Er übernahm mit anderen rechten Studierenden eine Schülerzeitung und gestaltete sie seinem Sinne neu. Der damalige Vorgang erregte durchaus Aufmerksamkeit, Konsequenzen gab es aber, wenig überraschend, nicht. Später begann er für die rechte Zeitung Junge Freiheit zu schreiben und ist auch Autor für die Zeitschrift „Sezession“ des Instituts für Staatspolitik, einem rechtsextremen Think Tank unter Ägide von Götz Kubitschek. Kubitschek ist eine der zentralen Figuren der „Neuen“ Rechten. Er hat sowohl Kontakte zum rassistischen Höcke-Flügel der AfD, zur verfassungsfeindlichen „Identitären Bewegung“ (IB) und ist auch international bestens vernetzt.[7] Ins Bild passt, dass Felix S. auch Kader der IB ist und zusammen mit Vadim D. von der AfD Regensburg bei einer IB Demonstration in Freilassing war.[8]
Am 1. Dezember wurde gegen Franco A. Anklage erhoben. Er wurde inzwischen aus der Haft entlassen, da laut BGH bisher kein Hinweis für eine unmittelbare Vorbereitung eines Anschlages vorliegt. Die Ermittlungen dauern an.[9]
Es bleiben zahlreiche Fragen offen und es besteht Hoffnung, dass der Prozess Licht ins Dunkel bringt. Sollte sich herausstellen, dass Franco A. Vohenstrauß nicht nur aus Zufall auswählte, so muss davon ausgegangen werden, dass er auch Kontakt in rechtsextremistische und vermutlich waffenaffine Kreise in der nördlichen Oberpfalz hatte. Auch der Fall Felix S. aus Oberviechtach zeigt, dass die Behörden jahrelang zu nachlässig gegenüber Rechtsextremen im Staatsdienst waren. Rechtsextreme und rassistische Netzwerke in staatlichen Organen wie der Polizei und dem Militär müssen schonungslos aufgedeckt und entsprechende Maßnahmen konsequent eingeleitet werden. Nur so kann die Abgrenzung und Bekämpfung solcher Ideologien innerhalb des Staatsapparates glaubwürdig erscheinen.
Donny Donowitz
Antifa-Korrespondent der Jusos Nordoberpfalz