Für einige Zeit war das Land Afghanistan kaum mehr in der deutschen Öffentlichkeit präsent. In den Hintergrund gerückt war die Tatsache, dass in dem Land Bundeswehrsoldaten und Soldatinnen stationiert sind und Anschläge und Gewalt dort zur Tagesordnung gehören. Doch als am 21. April mehrere Terroristen der radikal-islamischen Taliban über 140 afghanische Soldaten in ihrer eigenen Basis ermordeten, wurden die mit dem Land verbundenen Problematiken und Kontroversen schlagartig wieder präsent.
Am 29. April wurde zudem bekannt, dass US-Truppen den Befehl zu einem erneuten Einmarsch in die Provinz Helmand erhielten, da die Sicherheitslage zunehmend außer Kontrolle gerät. Es ist deswegen nur konsequent, von kriegsähnlichen Zuständen in Afghanistan zu sprechen.
Gerade einmal drei Tage nach dem verheerenden Angriff auf die afghanische Armee startete ein Flugzeug vom Flughafen München in Richtung Kabul. Es diente dazu, mehrere Dutzend afghanische Geflüchtete zurück in ihre Heimat abzuschieben. Denn für einige Bundesländer, allen voran dem Freistaat Bayern, ist die aktuelle Sicherheitslage vor Ort kein Grund, wenigstens temporär von Abschiebungen abzusehen.
Unter den Geflüchteten, die zur Rückkehr nach Afghanistan und in andere Länder gezwungen werden, befinden sich zunehmend auch Männer und Frauen, die sich in einer Ausbildung befinden oder sogar bereits in diversen Unternehmen fest angestellt sind. „Ausbildung ist die beste Integrationsmaßnahme“, sagte Bundeskanzlerin Merkel noch im Winter letzten Jahres. Und ja es steht außer Frage, dass die Mitarbeit in einem Betrieb, der direkte Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen sowie das gleichzeitige Kennenlernen von Sprache und Kultur der beste Weg sind, sich in eine anfangs noch fremde Gesellschaft einzufinden.
Schöne Worte von Politikerinnen und Politikern sind das Eine, konkrete Taten jedoch das Andere. Das Integrationsgesetz der Bundesregierung sollte Geflüchteten den Einstieg in das Berufsleben erleichtern. Es stellt einen Anspruch auf mindestens fünf Jahre Duldung in Aussicht, wenn Geflüchtete einen Ausbildungsplatz nachweisen können. Ist aus humanitärer Sicht bereits diese Regelung rigide, schafft es die CSU-Landesregierung von Bayern selbstverständlich auch hier, besonders negativ hervorzustechen. Denn der bayerische Staat nutzt ein Schlupfloch (§ 60a des Aufenthaltsgesetzes), um auch Menschen abzuschieben, die sich in Ausbildung befinden. Geht es nach der Landesregierung, soll diese Praxis bundesweit Schule machen. Die Befürchtung, dass andere von der Union dominierte Landesregierungen nachfolgen, ist leider durchaus berechtigt.
Unweigerlich drängten sich mir in letzter Zeit einige Fragen auf.
Was meint die Union und vor allem die CSU mit der vielfach beschworenen Integration? Statt Geflüchteten aus Afghanistan zu erlauben, sich in der deutschen Gesellschaft einzubringen, werden sie aus ihrem Umfeld gerissen und in ein Krisengebiet gebracht. Die Landesregierung sendet damit an andere Geflüchtete ein deutliches Signal: Es spielt keine Rolle, ob sich der einzelne Mensch um Integration bemüht.
Warum fährt die CSU einen solchen Kurs? Ergründet sich eine solche Politik aus innerer Überzeugung der Parteifunktionäre und Funktionärinnen oder ist es doch nur ein verzweifelter Versuch, potentielle AfD-Wähler*innen zurück zu gewinnen?
Wie kann eine Partei, die christlich und sozial im Namen trägt guten Gewissens eine solch unchristliche und unsoziale Asylpolitik betreiben? Mit welchem Selbstverständnis fordern Politiker*innen eine christlich-humanistische Leitkultur, während sie aus wahlkampftaktischen Gründen Menschenleben aufs Spiel setzen?
Ich für meinen Teil kann nur feststellen, dass sich namhafte Politiker*innen der CSU sowohl in ihrer Politik als auch in ihrer Rhetorik schon lange von humanistischen und christlichen Werten entfernt haben.