Weiden ist faschistisch zugeklebt

In den vergangen zwei Tagen sind uns immer mehr Aufkleber eines Nazi-Projektes des ehemaligen NPD-Bundestagskanditaten Patrick Schröder in Weiden aufgefallen.  Zu Beginn haben wir versucht alle zu beseitigen, was uns aber nicht gelang, da uns ziemlich schnell unsere "Überkleber" ausgingen. Mit welcher Masse beklebt wurde, hat uns durchaus beeindruckt. Selten haben wir so eine Propaganda-Schlacht erlebt.

Positiv: Jeder zweite Aufkleber wurde schon notdürftig zerstört. Das deutet auf ein großes Netzwerk von AntifaschistInnen hin oder auf wenige sehr aufmerksame. Außerdem haben verschiedene andere Organisationen, wie bsp. FC Bayern Ultras oder Blue Devil Supporters, ihre Markierungen genau darüber platziert. Alle haben eine Meinung von unserem Patrick und seiner Truppe.

Thomas Witzgall (Journalist von EndstationRechts und ehemaliges Mitglied der Jusos Bayern) hat uns erlaubt seine Einschätzung des Nazi-Projekts zu veröffentlichen. Im Folgenden findet ihr den Artikel 'Gibt es bald ein eigenes "Nazi-TV"?' - Orginal hier.

Seit dem 12.07.2012 wurden auf Youtube insgesamt drei Videos unter dem Titel „es beginnt“ veröffentlicht. Ab dem 13.07.2012 tauchten die Videos auch auf dem neonazistischen Szeneportal Altermedia auf und wurden dort interessiert aber eher mäßig diskutiert. Diese Videos enthalten eine verschlüsselte Botschaft. Aufgelöst werden soll das ganze am 19. August 2012 um 20.00 Uhr. Wegen der Nähe zum Todestag des Kriegsverbrechers Rudolf Heß wurde über einen Bezug zur Kultfigur der Szene spekuliert. Nach unseren Hinweisen geht es allerdings um ein neues Videoprojekt der Szene. Inzwischen wurden die drei Videos anscheinend wegen Urheberrechtsverletzungen von Youtube gesperrt.

 

Eine der möglichen Lösungen für die scheinbar wahllos in den Raum geworfenen Zahlenkombinationen ergibt „fsn-tv“. „FSN“ steht dabei für die Losung der freien Kameradschaftsszene „Frei – sozial – national“. Gesichert hat sich diese Domain der Neonazi Patrick Schröder aus Mantel bei Weiden. Er betrieb vorher schon den Internetradiosender „Radio FSN“. Laut dem mutmaßlichen Facebook-Profil ist Schröder nun für den Ansgar Aryan Versand tätig. Dessen aktuelles Profilbild zeigt Schröder auch in einem Shirt mit dem „N“-Aufdruck, das auch kennzeichnend für die Videos ist.

 

Die Videos machen einen professionellen Eindruck, sind schnell geschnitten, mit dynamischen Musikelementen unterlegt und spielen mit diversen optischen Elementen, darunter sind auf kurz aufflimmernde Bilder von Aktionen, Demonstrationen, Animationen die an die Matrix-Triologie erinnern und auch die aus der Occupy-Bewegung bekannten Guy-Fawkes Masken zu sehen. Die Zugriffszahlen sind angesichts der hineingesteckten Aufwands dagegen eher ernüchternd. Teil I wurde gerade einmal 5.000 mal aufgerufen, beim zuletzt veröffentlichten Teil steht der Counter knapp unter der 3.000er Marke.

Noch in unklar, was das Projekt, laut einem Kommentar bei Altermedia eine neue Kampagne von Schröder und der NPD-Jugend, genau umfassen wird. Nach den Botschaften in den Videos „öffne deine Augen“ wird es wohl visuelle Elemente umfassen.

 

Mit Schröder als Beteiligten ist dem Projekt zuzutrauen, die technischen Schwierigkeiten einigermaßen zu überwinden und optisch einen besseren Eindruck zu machen als diverse andere rechtsextreme Versuche früherer Tage.

 

Schröder fiel in der Szene größer auf, als er Ende 2005 das Jugendzentrum der Stadt Weiden für ein Rechtsrockkonzert, getarnt als „Nachwuchswettbewerb regionaler Bands“ anmieten wollte. Wohl wegen Schröders langen, blonden Haare schöpfte man bei den Verantwortlichen erst einmal keinen Verdacht. Nach Bekanntwerden der Bandliste verweigerte man den Zutritt. Schröder wollte nun die Vertragsstrafe kassieren, blitzte aber damit vor dem Amtsgericht Weiden ab. Das Gericht erkannte auf arglistige Täuschung und bestätigte die Anfechtung des Mietvertrages durch das JUZ Weiden.

 

Schröder stieg auch schnell in der NPD auf. So wurde er Kreisvorsitzender in Weiden, später Vorsitzender im Bezirk Oberpfalz, wurde Mitglied im NPD-Landesvorstand als Landesorganisationsleiter und absolvierte ein Praktikum bei der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, was allgemein als Kaderschmiede gilt, für Leute, die die NPD weiter fördern will. Bei der Landtagswahl 2008 erzielte Schröder im Stimmkreis Weiden mit 2,8 % das beste Erststimmenergebnis der NPD in Bayern. Auch beim wichtigen „Rock für Deutschland“ trat er mehrfach als Redner auf.

 

Parallel dazu baute Schröder an dem Internetradiosender „Radio FSN“. Der Sender kennzeichnete sich durch fünf Streams, die in die Kategorien „NSBM“ (National Socialist Black Metal), „Hatecore“, „Balladen“ und „Rechtsrock“ und einen ISDN-Stream aufgeteilt waren. Später entfernte er die neonazistischen Namensbezüge der Streams und ließ sie unter den Mainstream-Titeln laufen. Die abgespielte Musik dürfte sich nicht verändert haben. Bestandteil des Senders waren weiterhin moderierte Sendungen mit Interviews von Rechtsextremisten aus der politischen als auch Musikszene. Später wurde dem Radio ein kleines Social Network hinzugefügt, mit registrierten Nutzern, Chats und einer hauptsächlich mit NPD-Nachrichten gefütterten Nachrichtenspalte. 2010 wurde der Sender Angriffsobjekt des 27. chaos communication congress. Ebenso bekam man die normalen Zugriffe nicht in den Griff, so dass der Sender manchmal nur zwei Wochen im Monat zu erreichen war.

 

Schröder bekam mit der Gründung und Bedeutungszuwachs des Freien Netz Süd (FNS) auch politische Probleme. Von einer Demonstration des FNS in Weiden distanzierte sich Schröder als NPD-Bezirksvorsitzender in der örtlichen Presse, woraufhin Bezirksgeschäftsführer Karsten Panzer und Beisitzer Robin Siener die offizielle Unterstützung durch den NPD-Bezirksverband verkündeten. Schröders Tage als Bezirksvorsitzender waren gezählt und er wurde auf Betrieben des damals in der Oberpfalz stark in der NPD verankerten FNS durch den eher untalentierten Willi W. ersetzt. Damalige NPDler um Panzer spalteten sich zudem vom Kreisverband Weiden ab und gliederten die Region um Tirschenreuth aus Schröders KV Weiden aus. Zur Bundestagswahl 2009 musste Schröder dann im oberbayerischen Traunstein antreten und erreichte nur mehr 1,5 % der Erstimmen.

 

Inhalte und Ausgestaltung des Projekts sind unklar. Ein Videoportal alternativ zu Youtube macht eigentlich keinen Sinn, da das Portal weiterhin ohne Probleme von den Rechtsextremisten genutzt werden kann. Finden kann man dort sowohl selbst produzierte Kurzbeiträge der NPD, Videoberichte von Kundgebungen als auch unzählige Rechtsrock-Titel. Da Schröder das Projekt unter Klarnamen betreibt, wird es auch keine Alternative für strafrechtlich relevantes Material bieten. Für ein größeres Portal rund um eine rechtsextreme Jugendkultur mit der Mischung aus politischen Inhalte, Musik, Kleidung und Codes dürften dem Projekt letztlich das Material und die Ressourcen fehlen, auch wenn Schröder über gute Verbindungen in die Rechtsrock-Szene verfügt.

 

So fehlt es der Szene für ein größeres Musik-TV einfach an Musikvideos. Und auch die Versuche der Szene um eine Nachrichtensendung angelehnt an die Tagesschau scheiterten kläglich wie die im Umfeld der Hessischen NPD ab 2006 produzierte Nachrichtensendung „Die Woche – kritische Nachrichten.“ Und auch der Kopp-Verlag, der hauptsächlich Verschwörungstheorien, Esotherik und weitere pseudowissenschaftliche Theorien verbreitet, stellte seine 2010 begonnene Nachrichtensendung 2011 ein. Vorgelesene Nachrichten ohne größere bewegte Bildersequenzen von Live-Korrespondenten dürften sich auch kaum eines jugendlichen Zielpublikums erfreuen. Und die bisher von NPD und JN verbreiteten Videos reichen auch nicht aus, um eine interessantes abwechslungsreiches Format an den Start zu bringen, dass über die engere rechtsextreme Szene und die sie beobachtende Szene hinaus Wirkung entfalten könnte.

 

Aber scheitern dürfte das Projekt letztlich an der großen Ablehnung der Inhalte, die NPD und JN vermutlich über das Projekt verbreiten wollen. Gerade die Bekämpfung individueller Freiheiten des Einzelnen und der freien Entscheidung durch die Rechtsextremisten aller Couleur ist nicht jugendkompatibel. Auch wenn sich die Szene anderes einreden mag, dass es nur mehr „Volksaufklärung“ durch laute Kundgebungen oder nächtlicher „Briefkastenverteilungen“ bedürfte. Und das gilt auch für Internetprojekte, mögen sie noch so hübsch verpackt sein und sich „Freiheit“ auf die Fahnen schreiben.


Nachtrag vom 20. September 2012: Patrick Schröder meinte auf die Verlinkung des Artikels auf unserer Facebookseite, dass er selbst nicht zuständig war. Es erledigen seine "Bodentruppen". Den Kommentar haben wir gelöscht.

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