Für einen echten Politikwechsel in Deutschland – kein Ausverkauf sozialdemokratischer Wahlversprechen

Bei der ersten SPD-Sitzung des Unterbezirks Neustadt-Weiden-Tirschenreuth nach den Wahlen, am 28. September, wurde auf Initative der Jusos (namentlich von Dominik Brütting, Johannes Dill und Adrian Kuhlemann) über folgenden Antrag beraten:

1. Die SPD hat bei der Bundestagswahl das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Die SPD braucht jetzt eine offene und schonungslose Diskussion über dessen Ursachen. Vorschnell Fakten zu schaffen und ein blindes „Weiter so“ sind der falsche Weg. Es muss uns zu denken geben, dass die hohen Zustimmungswerte zu unseren zentralen Forderungen sich nicht in Stimmen für die SPD niederschlagen. Glaubwürdigkeit entsteht nicht nur über ein Wahlprogramm, sondern auch über Personen, die für einen Politikwechsel stehen. Und über eine Oppositionsarbeit, die kontinuierlich die Unterschiede zur Regierung deutlich macht. Dies ist in den vergangenen vier Jahren augenscheinlich versäumt worden. Es muss uns zu denken geben, wenn eine antieuropäische und für rassistische Programmatik offene Partei wie die AfD den Einzug in den Bundestag nur knapp verpasst. Viele Menschen haben keinen Unterschied zwischen uns und der Bundesregierung in europapolitischen Fragen gesehen. Opposition muss man nicht nur in den sechs Wochen vor der Wahl, sondern in der gesamten Legislaturperiode machen. Ebenso muss der Anspruch, Volkspartei zu sein, mit Leben gefüllt werden. Wir fordern den Parteivorstand deshalb auf, einen innerparteilichen Diskussionsprozess über Ursachen und Schlussfolgerungen des Ergebnisses auf den Weg zu bringen.

 

2. Der kompromisslose Ausschluss jeder Zusammenarbeit mit der Partei „Die Linke“ hat uns in zweierlei Hinsicht geschadet. Erstens konnten wir in den Wochen vor der Wahl angesichts schlechter Umfragewerte für SPD und Grüne nicht glaubwürdig vertreten, unsere Ideen eines Politikwechsels auch tatsächlich umsetzen zu können. Das demobilisiert die eigene Anhängerschaft und erklärt die erneut geringe Wahlbeteiligung. Zweitens ist es geradezu absurd, dass trotz vieler programmatischer Übereinstimmungen und einer linken parlamentarischen Mehrheit diese nicht für einen Politikwechsel genutzt werden soll. Es gehört deshalb zu den Kernaufgaben, unmittelbar damit zu beginnen, einen Annäherungsprozess an die Partei „Die Linke“ zu gestalten, um künftig mehr wirkliche Machtoptionen zu haben als nur Rot Grün.

 

3. Wir stehen in Verantwortung unseren Wählerinnen und Wählern gegenüber. Die SPD wurde – das zeigen alle Analysen klar –gewählt, um gemäß ihres Regierungsprogramms einen echten Politikwechsel in Deutschland herbeizuführen. Die zentralen inhaltlichen Wahlversprechen der SPD sind daher zwingen einzuhalten und dürfen auch keinem Koalitionskompromiss zum Opfer fallen. Insbesondere nicht verhandelbar sind daher unsere folgenden Kernforderungen:

 

a. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro und der Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – für Männer und Frauen und für LeiharbeiterInnen und Stammbelegschaften.

 

b. Die strikte Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen nach Maßgabe des SPD-Regierungsprogramms sowie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen.

 

c. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 % und die Einführung einer Vermögensteuer um mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Kommunen vornehmen zu können.

 

d. Die Einführung einer Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege.

 

e. Die Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren, einer Mindestrente von 850 Euro, die unbedingte Beibehaltung des Sicherungsniveaus von

 

51 % sowie die Aussetzung der Rente mit 67 gemäß des SPD-Rentenkonzepts.

 

f. Die sofortige Abschaffung des Betreuungsgeldes und die Überführung der frei werdenden Mittel in den Ausbau von Kinderbetreuung.

 

g. Die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft ohne Kompromisse.

 

Wir stehen bei unseren Wählerinnen und Wählern im Wort, diese Inhalte auch umzusetzen, egal in welcher Rolle die SPD in den kommenden Jahren sein wird.

 

4. Wir sehen keine zwingende Notwendigkeit für die SPD, in eine Regierung einzutreten. Ganz sicher ist die SPD nicht die Mehrheitsbeschafferin für Angela Merkel und ihre fatale Politik. Die SPD kämpft nicht um Posten, sie kämpft für Positionen. Falls sich keine Perspektive für einen echten Politikwechsel auftut, muss die SPD ihre Aufgabe als Oppositionskraft wahrnehmen. In diesem Fall wären Schwarz-Grün oder eine Minderheitsregierung der Union die besseren Optionen. Sondierungsgespräche mit der Union müssen deshalb ergebnisoffen geführt werden. Wenn die oben genannten Kernforderungen nicht erfüllt werden, muss die SPD die Gespräche scheitern lassen.

 

5. Im nun anstehenden Prozess von Verhandlungen ist eine regelmäßige und breite Einbindung der Partei erforderlich. Sofern am Ende des Prozesses ein Koalitionsvertrag vorliegt, muss über diesen in einem Mitgliederentscheid abgestimmt werden. Wir bitten den Parteivorstand, die hierfür erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten.

 

Von Dominik Brütting, Johannes Dill und Adrian Kuhlemann

Dieser wurde - glücklicherweise - einstimmig angenommen! Den Antrag zum Download findet ihr hier.

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